Jan Hus (nach seinem wahrscheinlichen Geburtsort Husinec, Böhmen; * um 1370[1][2]; † 6. Juli 1415 in Konstanz), auch Johann(es) Hus(s) genannt, war ein böhmischer christlicher Theologe, Prediger und Reformator. Er war zeitweise Rektor der Karls-Universität Prag. Nachdem Jan Hus während des Konzils von Konstanz seine Lehre nicht widerrufen wollte, wurde er als Ketzer auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Die nach Hus benannte Bewegung der Hussiten geht zum Teil auf sein Wirken zurück. In Tschechien gilt Hus als ein Nationalheiliger.
Neuere Forschungen geben den 1. Juli 1372 als Geburtsdatum an.
Nach dem Studium an der Karls-Universität Prag erlangte er 1396 den akademischen Grad eines Magister Artium, wurde Hochschullehrer und gilt als Verfasser des anonymen Traktats Orthographia Bohemica, in dem erstmals das diakritische System der tschechischen Rechtschreibung vorgeschlagen wurde (mit dem Akut für lange Vokale und dem Punkt für weiche Konsonanten).
Durch Hieronymus von Prag wurde Hus ab 1398 mit den Lehren des Oxforder Theologen John Wyclif vertraut, die er begeistert aufnahm. Tschechische Adelige, die seit der Vermählung der Schwester König Wenzels, Anne von Böhmen, mit Richard II. von England (1382) an der Universität Oxford studierten, brachten von dort Wyclifs Schriften nach Prag – zuerst die philosophischen, später auch die theologischen und kirchenpolitischen. Wyclif forderte aufgrund der sittlichen Verfallserscheinungen des Klerus in England und in Böhmen die Abkehr der Kirche von Besitz und weltlicher Macht.
Jan Hus begann 1398 Theologie zu studieren, wurde 1400 zum Priester geweiht, 1401 zum Dekan der philosophischen Fakultät ernannt und 1402 zum Professor berufen. Das Amt des Rektors der Prager Universität, an der er Theologie und Philosophie lehrte, bekleidete er in den Jahren 1409 und 1410.
Predigt des Jan Hus, Jenaer Kodex
Ab 1402 predigte Hus in tschechischer Sprache in der Bethlehemskapelle in der Prager Altstadt und führte das gemeinsame Singen während des Gottesdienstes in der tschechischen Landessprache ein. Er hielt dort jährlich rund 200 Predigten auf Tschechisch und förderte so auch das tschechische Nationalbewusstsein.[4] Hus, der zunächst unter Erzbischof Zbynko Zajíc von Hasenburg großes Ansehen genoss, wurde von diesem mehrfach zum Synodalprediger bestimmt. Er wurde Beichtvater der Königin Sophie von Bayern. Hus predigte eine strenge, tugendhafte Lebensweise und eiferte gegen Zeitgeist und Mode, so dass er gelegentlich die Zünfte der Schuster, Hutmacher, Goldschmiede, Weinhändler und Wirte gegen sich aufbrachte.
Beeinflusst durch die Lehren Wyclifs, kritisierte er den weltlichen Besitz der Kirche, die Habsucht des Klerus und dessen Lasterleben. Er kämpfte leidenschaftlich für eine Reform der verweltlichten Kirche, trat für die Gewissensfreiheit ein und sah in der Bibel die einzige Autorität in Glaubensfragen. Damit widersprach er der Doktrin der Amtskirche, nach der in Glaubensfragen der Papst die letzte Instanz sei. Von John Wyclif übernahm Hus zudem die Lehre der Prädestination und setzte sich dafür ein, im Gottesdienst die Landessprache zu verwenden.
1408 erfuhr der Prager Erzbischof von Hus’ Predigten und enthob ihn daraufhin seiner Stellung als Synodalprediger. Das Lesen der Messe und das Predigen wurden ihm verboten. Er hielt sich aber nicht an diese Verbote, predigte weiterhin gegen Papsttum und Bischöfe und brachte in kurzer Zeit große Teile Böhmens auf seine Seite.
Um der Reformbestrebungen Herr zu werden, unterwarf sich der Prager Erzbischof Alexander V. – einem der damaligen drei Päpste – und erwirkte von ihm eine Bulle, die die Auslieferung der Schriften Wyclifs und den Widerruf seiner Lehren forderte. Außerdem sollte das Predigen außerhalb der Kirchen verboten werden. Nachdem diese Bulle am 9. März 1410 veröffentlicht worden war, ließ der Erzbischof über 200 Handschriften Wyclifs öffentlich verbrennen und verklagte Jan Hus in Rom. Hus, der sich dort erfolglos durch Abgesandte vertreten ließ, wurde daraufhin im Juli 1410 mit einem Kirchenbann belegt. Gegenpapst Johannes XXIII.[5] bannte ihn im Februar 1411. Hus wurde exkommuniziert und der Stadt Prag verwiesen, was in Prag zu Unruhen führte.
Aufgrund seiner Beliebtheit, die in Volksdemonstrationen gipfelte, lehrte Hus unter dem Schutz des Königs zunächst noch ein Jahr weiter. Er verurteilte nun die Kreuzzugs- und Ablassbullen von Johannes XXIII. 1412 musste Hus jedoch fliehen.
Böhmen war das einzige Königreich im Heiligen Römischen Reich. Prag war zu Hus’ Zeit kaiserliche Residenzstadt. Neben dem Deutschen König und/oder „Römischen“ Kaiser gab es also den böhmischen König, wenn diese Würden nicht gerade in Personalunion zusammenfielen.
Als die Prager Karls-Universität zum Abendländischen Schisma Stellung nehmen sollte, war Hus Wortführer der Tschechen. Die Universität war nach den vier „Nationalitäten“ Bayern, Sachsen, Polen und Böhmen gegliedert. König Wenzel hatte sich seit 1408 bereiterklärt, das Konzil von Pisa, das das päpstliche Schisma zu überwinden suchte, zu unterstützen, ebenso wie die böhmische Nation der Universität. Die deutschen Nationen sowie Erzbischof Zbyněk hingegen hielten an ihrer römischen Obedienz fest. Die Fronten verhärteten sich, als sich die Magister der böhmischen Nation zum Wyclifschen Realismus bekannten, der die philosophische Grundlage für die theologische Kritik Hussens und anderer böhmischer Theologen bildete.
Diese Oppositionsbildung führte schließlich zum Kuttenberger Dekret von 1409, das die Stimmenverteilung an der Universität grundlegend änderte. Mit einer Stimmenmehrheit der deutschen Nationen wäre eine neutrale Position gegenüber den beiden Päpsten in Avignon und Rom nicht durchzusetzen gewesen. Wenzel erteilte daher den Böhmen drei Stimmen, den Bayern, Polen und Sachsen zusammen dagegen nur eine. Die Tschechen erklärten sich zusammen mit König Wenzel für neutral, während die Deutschen zusammen mit Erzbischof Zbyněk an Gregor XII. festhielten.
Neben Jan Hus hatte Hieronymus von Prag, der 10 Monate nach Hus auf dem Konzil von Konstanz als Häretiker verbrannt wurde, wesentlichen Einfluss auf die Durchsetzung des Dekrets. Zum ersten Mal spielten bei einem Aufbegehren des tschechischen Volkes nationalistische Motive eine Rolle, die maßgeblich für die Ausbildung des hussitischen Engagements waren. Infolge des Kuttenberger Dekrets verließen wenigstens 1000 deutsche Studenten mit ihren Professoren Prag und veranlassten die Gründung der Universität Leipzig.
Als der Gegenpapst Johannes XXIII. einen neuen Kreuzzug gegen den König von Neapel verkündete und jedem „Kreuzträger“ vollkommenen Ablass versprach, verurteilte Hus öffentlich diese Praxis, wodurch er großen Zulauf erfuhr. Jedoch zerbrach dadurch endgültig das Verhältnis zum König, der selbst finanzielle Interessen am geplanten Ablasshandel hatte. In Prag brachen neue Unruhen aus, als am 14. Juli 1412 drei junge Männer, die sich öffentlich gegen den Ablasshandel gewandt hatten, hingerichtet wurden. In der Reformbewegung wurden sie sofort als Märtyrer verehrt.
Aufgrund des größer werdenden Drucks floh Hus 1412 aus Prag und lebte bis 1414 auf der Ziegenburg in Südböhmen und auf der Burg Krakovec in Mittelböhmen. Dort verfasste er mehrere seiner Werke[6] und leistete damit einen wesentlichen Beitrag zur Weiterentwicklung der tschechischen Schriftsprache. In dieser Zeit setzte er seine Mitwirkung an der Bibelübersetzung in die Landessprache fort (eine neue vollständige Übersetzung des Alten Testaments und Überarbeitung von älteren Übersetzungen des Neuen Testaments entstand in seiner Umgebung). Erste Veröffentlichung der neuen Textteile erfolgte in seinem Werk Postila (1413).
Hus begab sich nun nach Husinec, an seinen Geburtsort. In dieser Phase verfasste er zahlreiche Schriften und Pamphlete. Er erreichte, dass der mit der Kirche in Widerspruch liegende Teil des böhmischen Adels ihn und seine Anhänger schützte. Einige hatten sich für den Fall, seine Ideen seien erfolgreich, vermutlich auch Hoffnungen auf die Kirchenbesitztümer gemacht, weil der Klerus nach Wyclifs Lehren bei Unwürdigkeit zu enteignen sei.
Hus durchzog das Land als Wanderprediger und fand zahlreiche Anhänger. 1413 schrieb Hus De ecclesia (Über die Kirche). Darin vertrat er die Ansicht, dass die Kirche eine hierarchiefreie Gemeinschaft sei, in der nur Christus das Oberhaupt sein könne. Ausgehend vom augustinischen Kirchenbegriff definierte er die Kirche als Gemeinschaft der Prädestinierten, also aller von Gott erwählten Menschen. In der sichtbaren Kirche gebe es jedoch zudem auch die nicht erwählten Menschen, die das corpus diaboli bildeten. Hus vertrat die Ansicht, dass viele Häupter der Kirche in Wahrheit Glieder des Teufels seien.
Zusicherung des freien Geleits
Inschrift am Hus-Museum in der Hussenstraße 64. Die Inschrift ist irreführend. Der Standort der Konstanzer Herberge von Jan Hus im Jahre 1414 lässt sich nicht mehr eindeutig belegen.
Die Unruhen und theologischen Streitigkeiten in Böhmen beschäftigten auch das Konzil von Konstanz ab 1414. Es galt, den Ruf des Landes wiederherzustellen und sich vom Vorwurf, Häresie zu dulden, zu befreien. Der deutsche König Sigismund sicherte Hus freies Geleit (einen salvus conductus für Hin- und Rückreise und die Zeit des Aufenthalts) zu und stellte ihm einen Geleitbrief in Aussicht. Hus machte sich aber schon vorher auf den Weg, um seine Ansichten vor dem Konzil darzustellen. Trotz seiner Exkommunizierung und dem gegen ihn ausgesprochenen Großen Kirchenbann wurde er auf seinem Weg nach Konstanz überall freundlich empfangen. Er erreichte am 3. November Konstanz.[7] Der Papst hob am 4. November 1414 die Kirchenstrafen gegen ihn auf. Zunächst predigte er drei Wochen in einer Herberge in der St.-Pauls-Gasse – heute Hussenstraße. (Der Standort der Herberge lässt sich nicht mehr eindeutig klären. Das heutige Hus-Museum Konstanz ist in einem Haus aus der damaligen Zeit untergebracht.)[8]
Stationen der Einkerkerung
Inselhotel, früher Dominikanerkloster in Konstanz mit rundem Gefängnisturm, in dem Hus eingekerkert war
Am 28. November wurde Hus jedoch verhaftet, zur Bischofspfalz beim Konstanzer Münster gebracht und im Haus des Domkantors eine Woche gefangengehalten.[9] Am 6. Dezember wurde er in einen halbrunden Anbau des Dominikanerklosters auf der Dominikanerinsel im Verlies festgesetzt. Hier durchlebte er einige qualvolle Monate. Bei Tage wurde er gefesselt und nachts in einen Verschlag gesperrt. Er war dem Gestank einer Kloake ausgesetzt, wurde schlecht ernährt und war von Krankheit gepeinigt. Da seinen Gegnern mit seinem Tode nicht gedient war – er sollte vorher seine Lehren widerrufen –, wurde er am 24. März 1415 in ein etwas erträglicheres Quartier, den Barfüßerturm an der späteren Stefansschule, verlegt.[10]
Als Sigismund am 24. Dezember 1414 eintraf, gab er sich über den Bruch des Geleitbriefes zornig, tat aber nichts, um Hus zu helfen. Da er die böhmische Krone seines Bruders Wenzel beerben wollte, war ihm stärker daran gelegen, den Ruf Böhmens zu rehabilitieren. Die Geleitzusage Sigismunds wurde für nichtig erklärt, da Hus seine Ansichten nicht zurücknehmen wolle und deshalb nicht mehr die weltliche Ordnung für ihn zuständig sei, sondern die kirchliche (nach damaliger Auslegung war die Zusage ohnehin nichtig, da es gegenüber einem Häretiker keine verpflichtende Zusage geben könne).
Schloss Gottlieben
Im März 1415 floh Papst Johannes XXIII., als dessen Gefangener Hus galt, aus Konstanz. Hus kam am 24. März in den Gewahrsam des Bischofs von Konstanz, der ihn wenig später im Gefängnisturm des Schlosses Gottlieben einkerkern ließ, einer Wasserburg am Seerhein. Auch Johannes XXIII. wurde bald gefangen genommen, nach Konstanz zurückgebracht und selbst im Schloss Gottlieben eingekerkert.
Am 4. Mai 1415 verdammte das Konzil auch John Wyclif und seine Lehre. Da Wyclif zum Zeitpunkt der Verurteilung bereits 30 Jahre tot war, konnte das Urteil natürlich nicht mehr vollstreckt werden. Dafür wurde die Verbrennung seiner Gebeine angeordnet und einige Jahre später, 1428, tatsächlich durchgeführt.
Hus kam am 5. Juni 1415 in ein Franziskanerkloster. Dort verbrachte er die letzten Wochen seines Lebens. Vom 5. bis 8. Juni wurde Hus im Refektorium des Klosters verhört. Hus unterstützende böhmische und mährische Adlige erreichten, dass er auf dem Konzil sich und seine Lehren in aller Öffentlichkeit zumindest ansatzweise verteidigen durfte. Das Konzil verlangte von ihm den öffentlichen Widerruf und die Abschwörung seiner Lehren. Hus lehnte dies ab und blieb bis Ende Juni standhaft.
Kirchliche Verurteilung
Konstanzer Münster
Jan Hus auf dem Scheiterhaufen (Spiezer Chronik, 1485)
Am Vormittag des 6. Juli 1415 wurde Hus in feierlicher Vollversammlung des Konzils im Dom, dem späteren Konstanzer Münster, auf Grund seiner Lehre von der „Kirche als der unsichtbaren Gemeinde der Prädestinierten“ als Häretiker zum Feuertod verurteilt. Beteiligt am Konzil im Dom waren als Repräsentanten der weltlichen Mächte König Sigismund, Friedrich von Brandenburg, Ludwig III. von der Pfalz und ein ungarischer Magnat. Die Beteiligten am kirchlichen Schuldspruch waren der Kardinalbischof von Ostia, der Bischof von Lodi, der Bischof von Concordia und der Erzbischof von Mailand. Da Papst Gregor XII. zuvor abgedankt hatte und Papst Johannes XXIII. (Gegenpapst) kurz zuvor abgesetzt worden war, erfolgte die Verurteilung ohne päpstliche Beteiligung.
Weltliche Hinrichtung
Hus wurde der weltlichen Gewalt übergeben. Der Weg führte vom Münster über die heutige Wessenbergstraße (damals noch Plattengasse), den Obermarkt und das Paradieser Stadttor ein kurzes Stück Richtung Gottlieben zum Brühl auf den Schindanger.[11][12] Kurz vor der Hinrichtung kam Reichsmarschall Haupt II. von Pappenheim angeritten und forderte Hus im Namen von König Sigismund zum letzten Mal zum Widerruf auf. Hus weigerte sich. „Der Reichsmarschall schlug zum Zeichen der Exekution in die Hände. Die Fackel wurde an den Holzstoß gelegt.“[13] Im Auftrag des Königs vollstreckte Pfalzgraf Ludwig das als Reichsgesetz geltende Urteil.[14] Jan Hus wurde am Nachmittag des 6. Juli 1415 auf dem Brühl, zwischen Stadtmauer und Graben, zusammen mit seinen Schriften verbrannt.[15] Zuvor wurde ihm eine Schandkrone aus Papier aufs Haupt gesetzt. Es waren „drei schauerliche Teufel darauf gemalt, wie sie gerade die Seele mit all ihren Krallen zerren und festhalten wollen. Und auf dieser Krone war der Titel seiner Prozesssache angeschrieben: ‚Dieser ist ein Erzketzer‘.“[16] Die Phasen der Hinrichtung beschrieb Ulrich Richental in seiner Chronik.[17] Seine Asche streuten die Henker in den Rhein.[18] Seit 1863 erinnert ein Gedenkstein am mittelalterlichen Richtplatz an der Mündung der danach benannten Straße Zum Hussenstein in die Straße Am Anger daran.
Abschiedsbrief
In seinem Abschiedsbrief hatte Hus an seine Freunde geschrieben:
„Das aber erfüllt mich mit Freude, daß sie meine Bücher doch haben lesen müssen, worin ihre Bosheit geoffenbart wird. Ich weiß auch, daß sie meine Schriften fleißiger gelesen haben als die Heilige Schrift, weil sie in ihnen Irrlehren zu finden wünschten.“
– Jan Hus
Die Verurteilung von Jan Hus fiel in eine Zeit, in der um die weltliche und um die kirchliche Vormachtstellung mit allen Mitteln gekämpft wurde.
Sigismund gewann den Machtkampf gegen seinen Vetter Jobst von Mähren nach dem Tod König Ruprechts. Drei Papstanwärter kämpften um den Anspruch, Papst zu sein: Gregor XII. in Rom, Benedikt XIII. in Avignon sowie Alexander V. (nach ihm Johannes XXIII.) in Pisa. Die Machtfragen wurden geregelt, die unter anderem von Hus eingeforderten Reformen wurden jedoch nicht durchgeführt. Die bestehenden Ordnungen galten nach der Absetzung des Papstes Johannes XXIII. und der Hinrichtung von Jan Hus mit der Wahl des neuen Papstes Martin V. im Konzilsgebäude am Hafen von Konstanz im Jahr 1417 als bestätigt.
Die Hinrichtung löste den ersten Prager Fenstersturz und die Hussitenkriege (1419–1434) aus. Fünf Kreuzzüge wurden gegen die aufständischen Taboriten entsandt. Die Kriege verwüsteten in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts nicht nur Böhmen und Mähren, sie griffen auch auf die Nachbarländer über, bis die Hussiten zuerst durch Zugeständnisse, später auch durch innere Zerrüttung besiegt wurden.
Jan Hus, Illumination in einer Bibelhandschrift aus dem 15. Jahrhundert
Hus war stark beeinflusst von den Lehren John Wyclifs. In seinen überwiegend kompilatorischen Schriften sind Wyclifs Anschauungen zum Teil wörtlich wiedergegeben, was der Schriftstellermanier des Mittelalters durchaus entsprach. Einiges hat Hus von Wyclif auch nicht übernommen. So hielt er an der Messe, der Lehre von der Transsubstantiation und der Lehre vom Fegefeuer fest, lehnte die Fürbitte der Gottesmutter Maria und der anderen Heiligen jedoch ab.
Nach Jan Hus ist die Kirche die Gesamtheit aller Prädestinierten (der Vorherbestimmten) (ecclesia est universitas praedestinatorum). Ihre Prädestination macht sie zu Mitgliedern der heiligen Kirche. Christus ist das Haupt – und kein Haupt außer ihm – der Kirche, das ihr selbst und jedem einzelnen Mitglied geistliches Leben vermittelt. Es gibt nach Hus von Anfang an nur eine Kirche, deren Mitglieder vorherbestimmt sind und nicht vor dem Tag des Gerichtes Gottes bekanntwerden. Für Hus ist der Begriff Kirche vorwiegend ein geistlicher und weniger ein institutioneller.
Hus unterscheidet zwischen Kirchenmitgliedern der Sache und dem Namen nach. Ein Mitglied der Institution Kirche muss nicht zu den Prädestinierten gehören, genauso wie ein Nichtmitglied der Institution Kirche zur geistlichen Kirche der Prädestinierten gehören kann. Ein Mensch zeigt seine Prädestination durch sein Verhalten.
Hus teilt die Kirche in drei Teile ein: Das Volk, die weltliche Herrschaft und den Klerus. Der weltlichen Herrschaft komme die Aufgabe zu, die Diener Gottes zu beschützen und das Gesetz Gottes zu verteidigen. Die Diener Gottes sollen „die Welt verbessern, die Kirche beleben als die Seele derselben und nach allen Seiten Christus am nächsten folgen“.
Hus verlangt von einem Geistlichen ein wahrhaftiges und heiliges Leben mit dem Ziel, den Gläubigen zu dienen. Er beklagt, dass die Geistlichen seiner Zeit Gott verachteten und durch Gewinnsucht und Heuchelei die Kirche in Verruf brächten. Statt dem Volke zu helfen – so Hus –, berauben sie es, statt es zu verteidigen, unterdrücken sie es noch grausamer als die weltlichen Herren.
Die Geistlichkeit habe die Aufgabe, das Evangelium zu verkünden und dem Volk mit den Sakramenten zu dienen. Auch hier sieht Hus den Gegensatz zur damaligen Priesterschaft, welche nach seinen Worten nicht aus „göttlichem Trieb“ predige, sondern um des Gewinnes willen. Viele forderten Geschenke oder Geld für Salbung, Taufe, Kommunion, Ordination, Konsekration der Altäre und Begräbnisse. Hus kritisiert den Ablasshandel, erfundene Reliquien, Bilderverehrung und erfundene Wunder. Die Gnade Gottes dürfe nicht käuflich sein.
„Die Priester predigen wohl gegen unsere Unzucht und unsere Laster“, so beklagt Hus, „aber von den ihrigen sagen sie nichts, also ist es entweder keine Sünde, oder sie wollen das Privilegium haben“. Die Geistlichen, die im Heer der Gläubigen in vorderster Linie stehen, müssen nach seiner Auffassung auch von allen übrigen Gläubigen ermahnt und bestraft werden können, wenn sie irren oder sündigen.
Für Hus war der Begriff Papst genauso wenig ein institutioneller wie sein Begriff der Kirche. Nicht das Amt, sondern das Verhalten befähige einen Papst. Er wandte sich gegen Lehren, dass dem Papst unbegrenzte Autorität zukomme, dass er weder Gott noch Mensch sei, dass der Papst einen Bischof ohne Grund absetzen dürfe und dass er von apostolischen Vorschriften in der Bibel Abstand nehmen dürfe. Mit „der heiligste Vater auf Erden“ könne nur jemand gemeint sein, der auf heilige Weise lebe, Christus in Armut, Demut, Friedfertigkeit und Keuschheit nachfolge, nicht aber jemand, der in offenkundiger Habgier, in offenem Hochmut und in anderen Sünden lebe. Auch hier zeigt sich Jan Hus’ Grundhaltung, dass sich Inhaber von kirchlichen Ämtern, inklusive des Papstamtes, an den Aussagen und Werten der Bibel messen lassen müssen, eine Auffassung, die er von Wyclifs Lehre bestätigt sah.
Hus sah die Bibel als „ganz wahr und hinreichend zur Seligkeit des Menschengeschlechts“ an. Sie sei der Maßstab, nach dem sich das Leben richten müsse. Alle religiöse Wahrheit sei in ihr enthalten. Die Schrift sei eine Waffe gegen den Teufel, die auch schon Christus gebraucht habe, indem er dem Teufel nicht befohlen, sondern argumentiert habe. Er wandte sich gegen die Lehre, dass die Autorität der Kirche über der Bibel stehe. Die so lehrten, wollten sich selbst von Kritik freihalten und das Volk über die Heilige Schrift in Unkenntnis halten, damit es gefügig bleibe.
Hus forderte, nichts zu glauben, festzuhalten, zu behaupten und zu predigen, was nicht durch die Aussagen der Bibel begründbar sei. Die Schrift, so Hus, müsse geglaubt werden, sie sei der Zugang zum Himmelreich.
Das Abendmahl gehörte für Hus zu den „tiefsten und geheimsten und höchsten Mysterien unseres Glaubens“. Es könne von einem Menschen nicht voll begriffen werden. Die geistliche Erfahrung müsse als die wichtigere der sakramentalen Erfahrung immer vorausgehen. Christus habe dieses Sakrament eingesetzt zum Gedächtnis seines Leidens, seines Lebens und Wirkens, seiner Auferstehung und Himmelfahrt. Dies solle der Priester im Gedächtnis haben, wenn er das Sakrament spende. Entgegen der vorherrschenden Lehre seiner Zeit betonte Hus, dass das Abendmahl in Brot und Wein auch für Laien bestimmt sei. Er könne aus der Schrift eine Einschränkung nicht herauslesen. Das Ziel des Abendmahls sei, „In Christo bleiben und ihn bleibend in sich haben; in Ewigkeit nicht sterben; das ewige Leben haben“.
Die Praxis des Abendmahls gehört noch immer zu den theologisch diskutierten Punkten innerhalb der Christenheit. Hus betonte zunächst die Notwendigkeit des Glaubens an die Worte Jesu, welcher sagte, das Brot sei sein Leib und der Wein sei sein Blut. Darüber hinaus würden Brot und Wein durch die vom Priester verlesenen Einsetzungsworte geweiht, so dass das Brot in den wahren Leib Christi und der Wein in das wahre Blut Christi transsubstanziiert (verwandelt) würden.
Bethlehemskapelle (Prag): Die Hinrichtung von Jan Hus
Häresie habe drei Ursachen: Abkehr vom Gesetz Gottes, Lästerung und Ämterkauf. Eine Lästerung sei es, wenn ein Mensch Gott beschuldigt, wenn Gott hartnäckig in Gedanken beleidigt werde, indem man ihm seine Macht nicht zutraut, oder wenn man das, was Gott allein gebühre, einer menschlichen Kraft oder einer anderen Kreatur zuerkenne. In seiner Schrift über Häresie und Simonie (Ämterkauf) wies Hus darauf hin, dass auch Jesus als Lästerer beschuldigt und hingerichtet worden sei. Besonders heftig stritt Hus gegen den Verkauf kirchlicher Ämter, die andere Häresien nach sich ziehe, nicht die Fähigsten auf die Posten bringe und die Menschen verderbe.
Výklad Viery, Desatera a Páteře (Auslegung des Glaubens, der Zehn Gebote und des Vaterunsers). 1412.
Výklad Viery, Desatera božieho přikazanie a modlitby páně (Auslegung des Glaubens, der Zehn Gebote und des Vaterunsers). 1412. 1480 in mittelniederdeutscher Übersetzung Dat bokeken van deme repe., De uthlegghinge ouer den louen. von Johannes von Lübeck als erster Druck von Hus erschienen.[19]
Katechetische Schrift. 1520 posthum erschienen, in südböhmischer Verbannung (Burg Kozí Hrádek) vollendet.
Dcerka (Töchterchen). 1412.
Knížky o svatokupectví (Büchlein über die Simonie). 1413.
Postila aneb Vyloženie svatých čteni nedĕlních (Postille oder Auslegung der heiligen Lesungen zum Sonntag). 1413.
O šesti bludiech (Über die sechs Irrtümer). 1413.
De ecclesia (Über die Kirche, tschechisch O církvi).
Orthographia Bohemica (Über die tschechische Rechtschreibung, tschechisch O českém pravopise). Die Autorschaft dieser Schrift ist nicht sicher.
De Causa Boemica, Paulus Constantius, Vulgo refragari quosdam celeberrimi, Constantiensis Concilii sententiae,qua, Hvssitae, damnati sunt, constat.Quare uisum est, mihi hũc ea de re in lucem edere librum, […] . Hagenau: Anshelm, Thomas, 1520. Digitalisierte Ausgabe der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf
Jan-Hus-Denkmal in Prag
In der Prager Bethlehemskapelle erinnern Wandmalereien an das Schicksal von Hus, der von der Kanzel dieses in der Altstadt gelegenen Gotteshauses von 1402 bis 1412 vor bis zu 3.000 Besuchern predigte.
Zum Gedenken an den Reformator an seinem 500. Todestag wurde ein monumentales Hus-Denkmal auf dem Altstädter Ring in Prag eingeweiht.[20] 1903 wurde feierlich der Grundstein des Denkmals gelegt. Die ebenfalls monumentale Bronzeplastik von Ladislav Šaloun wurde 1915 neben der katholischen barocken Mariensäule enthüllt.
Im Geburtsort Husinec steht zu seiner Erinnerung eine Bronzestatue. Die Stadt Jičín ließ 1872 ein Hus-Denkmal aufstellen. In Horní Blatná ehrt ein Denkmal vor der Laurentiuskirche den Reformator. Vor der Burg Krakovec erinnert eine von Milan Vácha geschaffene Statue an Jan Hus.
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Statuen sind für den 600. Todestag von Jan Hus, am 6. Juli 2015, in Planung und Bearbeitung für die Orte Husinec u Řeže, Prag, Kozí Hrádek (bei Tábor), Lidice und Konstanz unter dem gemeinsamen Thema Jan Hus – Weg zur Versöhnung.[21]
Denkmal für Jan Hus in Konstanz
Hussenstein in Konstanz
Hus wurde ab 6. Dezember 1414 in dem der Seeseite zugewandten Rundturm des Inselklosters in Konstanz (seit dem 20. Jahrhundert Inselhotel auf der Dominikanerinsel)[22] für 89 Tage eingekerkert. Es war ein stinkendes, enges Gefängnis über einer offenen Latrine. Er wurde innerhalb des Gefängnisses verhört und erkrankte schwer.[23] (♁Lage). Der Turm ist erhalten. Im Kreuzgang des Inselhotels ist die Szene von Hus im Kerker in einer der Wandmalereien dargestellt.
Kurz vor Gottlieben am Rand des Fußwegs von Konstanz (Gottlieber Zoll) nach Gottlieben steht die ehemalige Wasserburg, das Schloss Gottlieben. In einem der beiden Türme aus dem 14. Jahrhundert wurden Jan Hus, Hieronymus von Prag und der später abgesetzte Papst Johannes XXIII. (Gegenpapst) 1414–1418 gefangen gehalten. (♁Lage). An deren Schicksal erinnert eine Informationstafel. Das Schloss ist nicht zugänglich.
Das Jan-Hus/Hieronymus-von-Prag-Denkmal an der Laube in Konstanz gegenüber der Lutherkirche wurde von Adéla Kačabová entworfen. (♁Lage). Es steht an der Stelle des Geltinger (später Paradieser) Tores, durch das Jan Hus und Hieronymus von Prag zu ihrer Hinrichtung geführt wurden. Das Denkmal wurde 2015 aufgestellt und eingeweiht. Es ist ein Geschenk der Tschechoslowakischen Hussitischen Kirche an die Stadt Konstanz. Das drei Meter hohe Denkmal aus Sandstein aus dem Bergmassiv Horicer Chlum hat auf der einen Seite in seinem Sockel das Jahr 1415 und am Kopfende Jan Hus eingraviert. Auf der anderen Seite im Sockel ist 1416 und am Kopfende Hieronymus von Prag eingraviert. Zu zwei Dritteln zeigt das Denkmal im Mittelteil auflodernde Feuerflammen. Den Kopfteil des Denkmals bildet ein symbolischer Kelch, das Symbol der hussitischen Bewegung und für Wahrheit und Versöhnung. Die Silhouette des Denkmals erinnert an die Figur Turm im Schachspiel, die Recht und Wahrheit symbolisiert.[24][25][26]
In Konstanz-Paradies erinnert seit 6. Oktober 1862 ein von 200 Bürgern gespendeter imposanter, querliegender schwärzlicher Kalkstein-Findling, der Hussenstein, mit der goldenen Inschrift Johannes Hus (auf der Rückseite Hieronymus von Prag) am vermuteten mittelalterlichen Richtplatz an sein Schicksal. Er liegt in der danach benannten Straße Zum Hussenstein, auf dem Brühl, westlich der Altstadt, nahe der Schweizer Grenze.[27] (♁Lage).
Sogenannter Hustaler, Medaille um 1717 zum Gedenken an den Tod des tschechischen Reformators Jan Hus
Die bedeutendsten Medaillen zum Gedenken an den Tod von Jan Hus sind sogenannte Hustaler. Die zahlreichen Nachgüsse und Nachprägungen dieser Stücke und der fast 200-jährige Herstellungszeitraum sind bei Medaillen wohl einmalig und zeugen von großem Interesse an diesen um 1537 erstmals in der Werkstatt von Hieronymus Magdeburger geprägten und danach auch als Silberguss um 1717 ausgeführten Kleinkunstwerken. Der Spruch in der Umschrift dieser Medaillen CENTVM. REVOLVTIS. ANNIS. DEO. RESPONDEBITIS. ET. MIHI, übersetzt – „Wenn hundert Jahre vergangen sind, werdet ihr Gott und mir antworten.“ – ist jedoch von Hus nicht geäußert worden. Die Ausgabe der Medaillen wurde durch die lutherische Reformation veranlasst.[28]
Hus-Museum in Konstanz beim Schnetztor
In Husinec gibt es in seinem Geburtshaus eine Gedenkstätte und daneben ein kleines Museum.[29]
Das Hus-Museum Konstanz in der nach Hus benannten Hussenstraße 64 beim Schnetztor mit Dokumenten zu Hus und der Hussitenbewegung ist einer der möglichen Aufenthaltsorte von Jan Hus zu Beginn des Konstanzer Konzils und wurde 1923 von der Prager Museumsgesellschaft zum Gedenken an den Reformator eingerichtet. (♁Lage).
In den 1840er Jahren wurde im Konstanzer Konziliums-Saal ein Panoptikum mit Eingang beim Seetor eingerichtet, in dem lebensgroße Wachsfiguren von Jan Hus, Pater Coelestin und Hieronimus von Prag aufgestellt waren. Eine ausführliche Beschreibung des Panoptikums erfolgte 1843 durch Johann B. Salfinger.[30]
Mit der Bildung der Tschechoslowakei erklärte diese 1925 den 6. Juli zum Staatsfeiertag, worauf der Heilige Stuhl für drei Jahre die diplomatischen Beziehungen unterbrach.
Die Evangelische Kirche in Deutschland und die Evangelisch-Lutherische Kirche in Amerika erinnern am 6. Juli mit einem Gedenktag an Jan Hus.[31]
Am Tag der vollzogenen Tötung von Jan Hus, dem 6. Juli, wird in der Konstanzer Lutherkirche ein ökumenischer Gedenkgottesdienst mit den Vertretern christlicher Kirchen aus Konstanz und Tschechien und mit tschechischen Pilgern und weiteren Besuchern abgehalten.[32] Im Jahr 2013 wurde das Hussitenlied vom Chor der Musikschule Bedřich Smetana gesungen.[33] Zum 600. Todestag im Jahr 2015 legten die Bürgermeister von Konstanz und seiner Partnerstadt Tábor in der Gegend des Stadtteils Paradies, wo er bei lebendigem Leib verbrannt wurde, zur Erinnerung einen Kranz nieder.[34] Im Jahr 2020 nahmen der Pfarrer der Jan-Hus-Gemeinde der Tschechen und Slowaken in der Schweiz, Zürich, sowie die Leiterin des Hus-Museums Konstanz und die Darstellerin von Fida Pfister, seiner Zimmerwirtin in Konstanz, und tschechische und deutsche Besucher an der Gedenkfeier am Hussenstein teil.[35]
Vom 9. Dezember 2007 bis zu seiner Einstellung im Jahr 2012 trug der Regionalexpress/Schnellzug R/RE 451 und 452 Nürnberg-Prag und zurück den Namen „Jan Hus“.
Seit 1998 gibt es die Vereinigung der Städte mit hussitischer Geschichte und Tradition. Sie hat grenzüberschreitend 17 Städte aus Deutschland und der Tschechischen Republik als Mitglieder. Sie setzt sich ein für das Bewahren des hussitischen Erbes und als Konsequenz für die Völkerverständigung. Konstanz gehört seit 2002 zur Vereinigung. Jährlich wird eine Pilgerwanderung auf den Spuren von Jan Hus unterstützt.[36][37]
Die Route der Toleranz verläuft auf der Zugroute von Jan Hus von der Burg Krakovec nach Konstanz. Zunächst folgt sie der Goldenen Straße von Prag nach Nürnberg. Weiter verläuft sie über Ulm, Biberach, Ravensburg, Meersburg nach Konstanz.[37][38]
Die Deutsch-Tschechische Vereinigung e. V. hat nahe dem Hussenstein in Konstanz eine Begegnungsstätte im Palmenhaus, Am Hussenstein 12.[39]
Unter dem Begriff Hussiten (tschechisch: Husité oder Kališníci), auch Bethlehemiten genannt, werden verschiedene reformatorische beziehungsweise revolutionäre Bewegungen im Böhmen des 15. Jahrhunderts zusammengefasst, die sich ab 1415 nach der Verbrennung des Theologen und Reformators Jan Hus herausbildeten. Die Hussiten wurden von den meisten böhmischen Adeligen unterstützt und richteten sich hauptsächlich gegen die böhmischen Könige, die damals gleichzeitig das Amt des römisch-deutschen Kaisers bekleideten, und gegen die römisch-katholische Kirche. Infolge der Auseinandersetzungen kam es in den Jahren 1419–1434 zu den Hussitenkriegen.
Der traditionelle Utraquismus war seit 1436 durch Basler Kompaktaten in Böhmen und Mähren rechtlich anerkannt. Die hussitischen Utraquisten bildeten eine große Mehrheit (etwa 85 %) aller Christen in Böhmen und Mähren. 1458 bis 1471 regierte in Böhmen mit Georg von Podiebrad der erste nichtkatholische König Europas. 1468 gerieten Mähren, Schlesien und die Lausitzen unter die Herrschaft des ungarischen Königs Matthias Corvinus, der die Vorherrschaft des Katholizismus wiederherstellen wollte. 1485 wurden die Basler Kompaktaten in Kutná Hora durch böhmische Stände bestätigt. 1490 wurden die Nebenländer Böhmens wieder in einen Landesverband unter Vladislav II. geeinigt. Die Vladislavsche Landesordnung von 1500 führte keine Rechtbeschränkungen für die Hussiten ein. Der böhmische Landtag von 1512 hat diese Vereinbarung auf „ewige Zeiten“ verlängert.
1575 entstand im Auftrag der nichtkatholischen Länder der Böhmischen Krone die durch hussitische Neuutraquisten und Lutheraner verfasste Confessio Bohemica. Die Bildung einer Landeskirche gelang nicht, doch erlangten die protestantischen Glaubensrichtungen mit dem Majestätsbrief von 1609 ihre Anerkennung als erlaubte Konfessionen. 1620 nach der Schlacht am Weißen Berge wurde die große Mehrheit der Hussiten schließlich mit Gewalt zum Katholizismus zurückgeführt, vertrieben oder flüchtete in die verbliebenen protestantischen Länder.
→ Hauptartikel: Jan Hus
Der Name Hussiten geht auf den tschechischen Theologen und Reformator Jan Hus (ca. 1370–1415) zurück. Dieser beanstandete den Reichtum der römisch-katholischen Kirche, ihre Sittenlosigkeit und den Ablasshandel, bei dem gegen Zahlung eines Geldbetrages die Vergebung der Sünden versprochen wurde. Als einzige verbindliche Quelle in Glaubensfragen ließ Hus die Bibel gelten. Ferner erkannte er das Primat des Papstes nicht an und folgte damit John Wyclif und den Waldensern. Auf der Leipziger Disputation 1519 wurden Martin Luther von Johannes Eck vom Konstanzer Konzil verurteilte Sätze des Hus vorgelegt, und Luther erklärte, einige davon seien christlich und evangelisch. Für Eck war Luther damit als hussitischer Ketzer überführt; Luther sah in der Folge Hus als seinen Vorläufer an (Kirchenverständnis, Laienkelch).
Verbrennung des Jan Hus, Gemälde von Il Sassetta, 1423–1426
Verbrennung des Jan Hus, Detail eines Altarflügels, Wenzelskirche in Roudníky, heute Hussiten-Museum Tábor, 1486
Jan Hus reiste zum Konstanzer Konzil (ab 1414), wobei König Sigismund ihm Freies Geleit von und nach Prag und während seines Aufenthaltes in Konstanz zugesichert hatte. Trotzdem wurde er inhaftiert. Auch nach strengen Verhören und Gefangenschaften weigerte er sich, seine Lehre zu widerrufen. Am 6. Juli 1415 wurde Jan Hus auf dem Brühl in Konstanz zusammen mit seinen Schriften auf einem Scheiterhaufen verbrannt und die Asche in den Rhein geschüttet.
Der Konstanzer Schuldspruch gegen Jan Hus wurde in Böhmen nicht anerkannt. 452 böhmische Adlige sandten im September 1415 einen feierlichen Protest an das Konstanzer Konzil und schlossen sich in einem Bündnis zusammen. Auch in der Bevölkerung löste die Verbrennung heftige Proteste aus, in deren Folge eine böhmische Freiheitsbewegung entstand, die wesentliche Ziele von Jan Hus übernahm. Man war sich einig, die freie Predigt des Wortes Gottes schützen zu wollen und Verordnungen der Bischöfe und des Papstes nur insoweit anzuerkennen, als sie in Einklang mit der Heiligen Schrift standen. Da die freie Religionsausübung eingeschränkt war, trafen sich die Anhänger von Jan Hus ab Ostern 1419 und 1420 an abgeschiedenen Orten, etwa auf Bergen, wie dem Beránek bei Mladá Vožice, dem Bzí, Bradlo, Olivetská hora und Oreb zu Wallfahrten unter freiem Himmel. Höhepunkt der poutě na hory bildete die Große Versammlung, die am 22. Juli 1419 mit der Abschlusspredigt vor 42.000 Anhängern auf dem Burkovák bei Nemějice endete, der danach in Anlehnung an den biblischen Weltenberg Tabor den Namen Tábor erhielt.
Nach der Verbrennung von Jan Hus 1415 versuchte der böhmische König Wenzel die empörten hussitischen Anhänger von Kirchen- und Staatsämtern auszuschließen. Dies führte zu einem Aufstand. Dabei kam es am 30. Juli 1419 zum ersten Prager Fenstersturz, bei dem Hussiten das Rathaus stürmten und einige Ratsherrn aus dem Fenster warfen. König Wenzel starb am 16. August. Seinen Bruder Sigismund wollten die Hussiten nicht als König anerkennen, da er das seinerzeit Jan Hus versprochene sichere Geleit nicht eingehalten hatte; er galt geradezu als dessen Mörder. In den Tagen nach dem Tode Wenzels unterwarfen hussitische Volksmassen in Prag Kirchen und Klöster gewaltsam der Kelchkommunion oder zerstörten und verbrannten sie. Die Unruhen dauerten mehrere Wochen.
Im März 1420 erließ Papst Martin V. die sogenannte Kreuzzugsbulle. Aus dem Aufstand entwickelte sich ein Krieg.
→ Hauptartikel: Vier Prager Artikel
Christus spendet die Eucharistie in beiderlei Gestalt, Teynkirche um 1470
1420 wurden die Vier Prager Artikel verfasst, welche folgende Forderungen enthielten:
die Freiheit für die Predigt
die Freiheit für den Kelch
die Freiheit von säkularer Kirchenherrschaft
die Freiheit von ungerechter weltlicher Herrschaft
Diese Forderungen wurden im Wesentlichen von dem Flügel der Kalixtiner als die wichtigsten erachtet. Die radikaleren Taboriten forderten außerdem die Abschaffung vieler kirchlicher Einrichtungen und Gebräuche.
Denkmal für Jan Žižka in Tábor
Die Hussitische Bewegung bestand aus zwei Gruppierungen: Die Kalixtiner (von lat. calix Kelch) gründeten in Südböhmen die nach dem Berg Tabor benannte Siedlung Tábor und rekrutierten sich zum größten Teil aus der mittellosen Stadt- und Landbevölkerung. Die Taboriten wollten das Reich Gottes mit Waffengewalt errichten und wandten sich damit auch gegen die bestehende weltliche Ordnung mit Feudalismus und Monarchie.
Im Frühjahr 1421 vertrieben die „neuen Obrigkeiten“ Tábors (Jan Žižka, Nikolaus von Pelgrims, Johannes von Jičín) den radikalen Kern der Taboriten um Martin Húska aus der Stadt. Jan Žižka spürte sie in den Dörfern, in denen sie Zuflucht gesucht hatten, auf und ließ sie ausrotten. Den in Tábor und Prag populären Martin Húska selbst ließen die (adligen) Calixtiner und Žižka vom (katholischen) Prager Erzbischof Konrad von Vechta foltern und im Sommer 1421 auf dem Scheiterhaufen verbrennen.
Nach der Auslöschung der Anhänger Húskas verleumdete Jan Žižka diese als angeblich systematisch Unzucht treibende „Adamiten“ sowie als „Pikarden“. Diese Benennung leitete sich ab von evangelischen Flüchtlingen aus der Picardie, deren „Häresie“ sie angeblich übernommen hätten.
Žižka selbst wurde postum als ein Anführer der zwischen Taboriten und Calixtinern verorteten „Orebiten“ (bzw. Bezug nehmend auf Žižkas Tod „Orphaniten“, lat. „Waisen, Verwaiste“) dargestellt. Das Motiv dieser Deutung war, Žižka von den zunächst insgesamt radikalen Taboriten nachträglich abzugrenzen und ihn damit wenigstens teilweise für die sich in der Tradition der Calixtiner wähnenden adligen und bürgerlichen tschechischen National(ist)en zu vereinnahmen. Allerdings ist die Existenz der Orebiten nicht sicher belegt, zumal Žižka von Tábor aus gewirkt hat.
→ Hauptartikel: Hussitenkriege
Im Dezember 1419 erlitt eine königlich-katholische Einheit in der Nähe von Pilsen eine erste Niederlage gegen ein kleines hussitisches Kontingent, eine zweite Niederlage erlitten die katholischen Truppen im März 1420 in Südböhmen bei Sudoměř. Katholische Truppen unter dem späteren Kaiser Sigismund zogen zwar im Juni 1420 auf der Prager Burg, dem Hradschin ein. Der Versuch, ganz Prag zu erobern, wurde aber am 14. Juli in der Schlacht am Prager St. Veitsberg von Hussitentruppen unter Jan Žižka zurückgeschlagen. Im Herbst 1420 scheiterte die Eroberung der anderen Prager Burg, des Vyšehrad. Žižka führte ein straffes Regiment, das unter anderem zum Tod und zur Vertreibung vieler Deutscher aus Böhmen führte. Die Juden stellte er vor die Alternative, sich taufen zu lassen oder hingerichtet zu werden, so etwa in Komotau.[1]
Auch der zweite Feldzug im Jahre 1421 scheiterte. Der Sieg Friedrichs von Meißen über die Hussiten in der Schlacht bei Brüx im August blieb ohne nachhaltige Wirkung. Wenig später, im September, räumte ein Kreuzheer beim nahegelegenen Saaz das Land in wilder Flucht, nachdem sich die Hussiten näherten.
Der dritte Feldzug endete im Januar 1422 mit zwei weiteren Niederlagen der königlich-katholischen Heere bei Kuttenberg und Deutschbrod. Im Frühjahr 1423 brachen schwere Differenzen innerhalb der verschiedenen hussitischen Strömungen auf. In der Schlacht bei Horschitz im April 1423 setzten sich die radikalen Taboriten unter Jan Žižka gegen die Prager (Utraquisten) durch. Im Juni kam es in Konopischt zu einem zeitweiligen Ausgleich zwischen den verschiedenen Parteien. Nachdem im Oktober 1423 Friedensverhandlungen der Utraquisten in Prag mit Sigismund scheiterten, brach der innerhussitische Gegensatz wieder auf.
Im Juni 1424 behielt Žižka in der Schlacht bei Maleschau erneut die Oberhand gegen die Prager. Der Schwerpunkt der Kämpfe verlagerte sich nun nach Mähren. Während Herzog Albrecht im Juli von Süden her versuchte, das Land in die Hand zu bekommen, begann von Westen her ein verheerender hussitischer Angriff. Habsburgisch bzw. katholisch gesinnte Städte wurden eingenommen und dem Erdboden gleichgemacht.
Andreas Prokop; Abbildung aus dem 17. Jahrhundert
Nach dem Tode Žižkas am 11. Oktober 1424 während der Belagerung der Burg Pribislau übernahm Andreas Prokop die Führung der Hussiten. Auch unter Prokops Kommando blieben die Hussiten siegreich.
Im Jahre 1425 stießen die Hussiten erstmals nach Schlesien vor, doch ansonsten beschränkten sich die Kämpfe, die von beiden Seiten mit großer Grausamkeit geführt wurden, bis Herbst 1425 noch weitgehend auf mährisch-böhmisches Gebiet. Im November 1425 drangen hussitische Heere erstmals nach Niederösterreich vor, um Herzog Albrecht, der in Mähren mit wechselndem Erfolg operierte, abzulenken, um die Belastung des eigenen Landes zu verringern und um Beute zu machen. Zahlreiche Klöster und Städte wurden geplündert.
Der vierte Feldzug 1427 endete für die katholischen Truppen mit einer schweren Niederlage bei Tachau in Westböhmen (= Schlacht bei Mies am 4. August).
Schon ab 1428 gingen die Hussiten unter Andreas Prokop zum Angriff auf katholische Bastionen über. Der Kriegszug des Jahres 1428 verheerte Niederösterreich und Teile Schlesiens, 1429 folgte ein neuerlicher Vorstoß nach Niederösterreich und in die Lausitz. Am 25. Juli 1429 kam es in Plauen zum Bündnis zwischen den Wettinern und den Hohenzollern gegen die Hussiten. Doch schon drei Monate später wurde Altendresden von den Hussiten niedergebrannt, wenige Monate später folgte ein Angriff der Hussiten die Elbe abwärts wahrscheinlich bis in die Gegend von Torgau und dann westwärts in Richtung Leipzig, durch das Vogtland nach Oberfranken. Die Stadt Lößnitz wurde 1429/30 vergeblich von einem Hussitentrupp belagert.
Der Hussitenzug des Jahres 1430 betraf außerdem Schlesien, der des Jahres 1431 Teile Ungarns (westliche Slowakei).
Auch ein Beschluss zur Bekämpfung der Hussiten auf dem Reichstag zu Nürnberg im Jahre 1431 konnte das Kriegsglück nicht wenden. Der fünfte Kreuzzug unter Kardinal Giuliano Cesarini endete am 14. August 1431 mit einer blamablen Niederlage bei Taus. Der spätere Kaiser suchte dann nach einer Lösung auf Verhandlungsbasis.
Während dessen folgten 1432/34 die weiträumigsten Operationen der Hussiten, die im Osten nach Oberschlesien und in die westliche Slowakei führten, in Richtung Norden in die Lausitz, nach Niederschlesien, über die Neumark in den Raum Danzig (Land des Deutschen Ordens) sowie nach Polen. Ein kleinerer Vorstoß im April 1432 betraf erneut Brandenburg (u. a. Frankfurt (Oder), Bernau, Strausberg).
Da den kaiserlichen und päpstlichen Truppen bis auf kleinere Gefechte der Sieg gegen die Hussiten verwehrt blieb, wurde zwischen 1431 und 1433 mit ihnen verhandelt. Zwar hatte Kurfürst Friedrich II. von Sachsen am 23. August 1432 schon einen Sonderfrieden mit den Hussiten auf zwei Jahre geschlossen, doch erst 1436 endeten die Kriegshandlungen überall.
Auf dem Basler Konzil wurden den Hussiten mit den Prager Kompaktaten einige Zugeständnisse gewährt. Auf das Konzil wurde seitens der Böhmen unter Prokop durch die Belagerung der katholischen und reichstreuen Stadt Pilsen ab Mitte 1433 Druck ausgeübt. Die „Obere Pfalz“, heute Oberpfalz, war dabei wiederum stark gefährdet und wie schon öfter von Raubzügen der Hussiten bedroht. Am 21. September 1433 wurde ein Teilkontingent des hussitischen Belagerungsheeres, das zum Fouragieren in die „Obere Pfalz“ eingedrungen war, von dem wesentlich kleineren Heer des Pfalzgrafen Johann von Pfalz-Neumarkt, der „Hussitengeißel“, bei Hiltersried vernichtend geschlagen.
Während des Konzils von Basel kehrte der weniger radikale Flügel der Utraquisten beziehungsweise Calixtiner wieder in den Schoß der katholischen Kirche zurück und verbündete sich sogar mit den kaiserlichen Truppen gegen die radikaleren Taboriten. Diese wurden schließlich am 30. Mai 1434 in der Schlacht von Lipan (tschechisch: Lipany) nach einem taktischen Fehler Prokops vernichtend geschlagen. Nur eine kleine Abordnung unter Jan Roháč z Dubé rettete sich auf dessen Burg Sion bei Kuttenberg, bis auch diese 1437 erobert und Roháč in Prag hingerichtet wurde.
Als letztes Gefecht der Hussitenkriege gilt die Schlacht bei Brüx am 23. September 1434, wobei die inzwischen mit den Polen verbündeten Hussiten eine schwere Niederlage gegen Kaiser Sigismund, Friedrich II. und Heinrich von Schwarzburg erlitten.
Zahlreiche der kriegsgeübten und gefürchteten Hussitenkrieger verdingten sich nach Ende der eigentlichen Kriegshandlungen weiterhin als Söldner zum Teil in katholischen Diensten, so z. B. in der Soester Fehde.
Mitteleuropa im Zeitalter der frühen Reformation (um 1530): römisch-katholisch
protestantisch (entweder lutherisch oder reformiert)
hussistisch (utraquistisch)
Die Bewegung des Hussitismus konnte sich letztlich nicht durchsetzen. Die aus Böhmen vertriebenen Katholiken forderten nach dem Ende der Kämpfe die Rückgabe ihres Eigentums, die ihnen 1436 verwehrt wurde. Die wenigen religiösen Zugeständnisse der katholischen Kirche an die Hussiten wurden durch Papst Pius II. am 31. März 1462 wieder zurückgezogen.
Die zwischenzeitlich gegebenen Zugeständnisse waren aber dennoch ein Anstoß für die Bildung eines tschechischen Nationalbewusstseins. Georg von Podiebrad, 1458 bis 1471 König von Böhmen, verfolgte zwar die verbliebenen Radikalen, kam aber selbst zu keiner Einigung mit dem Papsttum. Er scheiterte letztlich an einer Übermacht, war aber doch der erste nicht-katholische König Mitteleuropas seit der Christianisierung.
Auch sein katholischer Nachfolger König Vladislav II. (1471–1516) musste 1485 auf dem Landtag zu Kuttenberg die Kompaktaten bestätigen. Der Reichstag von 1512 verlieh den Hussiten gar die gleichen Rechte wie den Katholiken.
Im Laufe des 16. Jahrhunderts näherten sich die Utraquisten den Lutheranern an. Eine eigene Richtung verfolgten in dieser Zeit eher die Böhmischen Brüder.
Nach der Niederlage der böhmischen Stände im Jahre 1620 in der Schlacht am Weißen Berge wurden die böhmischen Länder schließlich mit Gewalt zum Katholizismus zurückgeführt, die geflüchteten Utraquisten gingen in den lutherischen oder reformierten Kirchen auf.
Die wissenschaftliche Diskussion über das Wesen und die Triebkräfte der Hussitenbewegung ist unter Historikern nach wie vor nicht abgeschlossen. Schon Zeitgenossen werteten das Geschehen aus sehr unterschiedlichen Blickwinkeln. Neben die zunächst vordergründigen religiösen Ursachen traten, wohl mit fortschreitendem zeitlichem Abstand zum Tod von Jan Hus, zunehmend gleichberechtigt soziale und nationale Aspekte. Allerdings war die Hussitenbewegung sicher keine reine tschechische Nationalerhebung; schließlich gab es sowohl in Böhmen als auch im übrigen Reichsgebiet eine ganze Anzahl „deutscher“ Hussiten.[2] Außerdem fand die Rebellion auch in Böhmen eine entschiedene Opposition, welche letztlich in Lipan den entscheidenden Anteil an der Niederlage der Taboriten hatte.
Die 1918 gegründete Evangelische Kirche der Böhmischen Brüder entstand durch die Vereinigung der evangelisch-lutherischen und der evangelisch-reformierten Kirche in Tschechien. Sie sieht sich auch in der Nachfolge der hussitischen Utraquisten und der tschechischen Brüderunität.[3]
Die 1920 gegründete Tschechoslowakische Hussitische Kirche beruft sich auf die Hussiten und ist – als Abspaltung von der katholischen Kirche – mit der Anglikanischen Kirche vergleichbar. Sie wird auch als neuhussitisch bezeichnet.